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Online stattfinden - Mehr unkonventionelle Beteiligungskultur in der SPD

Updated: Jun 19, 2020

Durch das zunehmende Auseinanderdriften der Lebens- und Arbeitswirklichkeiten der MitgliederInnen hat sich das bestehende Modell parteipolitischer Partizipation in der SPD überholt. Anstelle von regional-abgegrenzten, standardisierten Einheiten und physischen Arbeitstreffen muss die SPD zukünftig verstärkt alternative Partizipationsmöglichkeiten wie Online-Parteiarbeit, übergreifende Workshops und alternative Veranstaltungstermine ermöglichen. Hierfür darf das Wohnortsprinzip zukünftig nicht mehr maßgeblich sein.


Die bestehende regional-strukturierte Partizipationsstruktur der SPD mit einheitlichen, auf Präsenz angelegten Formaten zielt auf einen Gesellschaftsentwurf, der standardisierte Lebens- und Arbeitsentwürfe in der Mitgliederschaft als die Norm annimmt. Die organisatorische Struktur der SPD basiert dabei auf regional abgegrenzten Einheiten (Distrikte, Abteilungen), die sich über grundsätzlich einheitliche Formate (wöchentliche Sitzungen, Vollversammlungen an einzelnen Wochenenden) organisieren. Physische Treffen, meistens an einem Wochentag in den Abendstunden, werden zum Austausch und der Erarbeitung und Abstimmung von Inhalten und Anträgen genutzt. Zudem gibt es Arbeitsgemeinschaften, die spezifische Mitgliedergruppen ansprechen, aber ebenfalls (überwiegend) den gleichen einheitlichen Formaten mit Fokus auf physische Anwesenheit folgen. Nur in Einzelfällen erfolgt Kommunikation und parteipolitische Arbeit (vor und nach COVID-19) digital.

Parteiorganisation in der singularisierten Gesellschaft

Allerdings "singularisiert" sich unsere Gesellschaft und somit auch die Mitgliedschaft der SPD zunehmend - wie Andreas Reckwitz in seinem Buch "Das Ende der Illusionen" 2019 feststellt. Lebens- und Arbeitsrealitäten der Menschen in Deutschland driften verstärkt auseinander. Aus der nivellierten Mittelstandsgesellschaft der Nachkriegszeit wird die spätmoderne Klassengesellschaft. Diese Entwicklung ist insbesondere seit den 1990er Jahren erkennbar, beschleunigt sich allerdings durch Digitalisierung und Globalisierung. Der regional gebundene Job von 9 bis 17 Uhr, der es ermöglicht, nach der Arbeit noch an Sitzungen des Distrikts teilzunehmen gehört für bestimmte Bevölkerungsgruppen zunehmend der Vergangenheit an. Immer mehr Menschen pendeln, arbeiten zu unregelmäßigen Zeiten oder sind an andere Zeitzonen gebunden. Auch dem größeren gesellschaftliche Fokus auf Care-Arbeit muss verstärkt Rechnung getragen werden. Dies gilt insb. für Arbeitnehmer in der sog. "Gig-Economy" als auch für Arbeitnehmer der sog. "Service Class".

Mit ihrer Vereinsstruktur, ihren Betriebs- und Hochschulgruppen war die SPD in ihrer ‚goldenen Zeit’ erfolgreich in der Lebens-, Arbeits- und Bildungswelt ihrer MitgliederInnen verankert. Um eine solche Verankerung heute wiederherzustellen, muss die SPD die Unterschiede der damaligen und heutige Lebens-, Arbeits- und Bildungswelt verstehen und berücksichtigen. Die bestehenden Partizipationsmöglichkeiten der SPD sind somit nicht auf Mitglieder mit alternativen Lebens- und Arbeitsmodellen ausgerichtet. Insbesondere die Fokussierung auf abendliche, physische Termine erschwert die Einbindung von unterschiedlichen Mitgliedergruppen z.B. Pendlern, Schichtarbeitern, Familien mit Kindern, Menschen, die in unterschiedlichen Städten arbeiten, Studenten im Auslandssemester, etc.

Maßnahmen, Nächste Schritte und Herausforderungen

Die bestehenden Partizipationsmöglichkeiten in der SPD müssen sich verstärkt an diesen "singularisierten" Lebenswirklichkeiten der Mitglieder ausrichten. Hierzu müssen insbesondere die folgenden Maßnahmen gefördert werden:

> Flächendeckende Angebote für Online-Partizipation und Online-Information auf Landesebene – parallel zu den bestehenden Offline-Angeboten (z.B. Digitaler Distrikt Dockland). Neben physikalischen müssen auch virtuelle Partizipationsräume entstehen

> Online-Teilnahme an allen Offline-Terminen (auch Kreisparteitage & Landesparteitage) z.B. durch Einwahl in Telefonkonferenzen & Aufrüstung der Kreisbüros mit moderner Video-Technik

> Alternative terminliche Angebote zur Vernetzung (z.B. Freitag-Vormittag; Sonntag-Nachmittag) neben den bestehenden Angeboten auf Ebene der Distrikte

Durch diese Maßnahmen kann die SPD wieder verstärkt Mitglieder und Nicht-Mitglieder aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten ansprechen und sie zur Partizipation an Angeboten befähigen. Dafür müssen allerdings auch bestehende Paradigmen der Parteiarbeit z.B. das Wohnortsprinzip angepasst werden.

Offensichtlich ist, dass diese neuen Partizipationsmöglichkeiten das Risiko einer stärkeren Trennung von einzelnen Lebenswirklichkeiten innerhalb der Partei erhöhen. Daher kommt hier dem politischen Führungspersonal in der SPD eine stärkere Integrations- und Vermittlungsaufgabe zu. Diese Vermittlung zwischen unterschiedlichen, sich regional überschneidenden Einheiten sollte dabei insbesondere über gemeinsame "Events" und transparente Kommunikation zwischen den Einheiten ermöglicht werden.

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